AMIS – Alter Wein in neuen Schläuchen?

In letzter Zeit ist in der Presse und auf Klinik- und Ärzteseiten häufiger von der neuen AMIS-Methode bei Hüft-OPs die Rede (siehe z.B.: TZ oder auch WAZ). AMIS steht dabei für ‚Anterior Minimal Invasive Surgery‘ und bedeutet nicht wörtlich übersetzt: ‚Die minmal-invasive Durchführung einer Hüft-OP über einen vorderen Zugang‘. Bei dieser Operationsmethode wird immer nur von Vorteilen gegenüber allen anderen Methoden berichtet (schnellere Rehabilitation, Vollbelastung direkt nach der OP, weniger bis keine Schäden an Muskeln und Nerven, geringe Luxationsgefahr, weniger Schmerzen, weniger Blutverlust, kleine Narbe). Anlass genug mal zu hinterfragen, warum diese Methode in Deutschland noch immer sehr wenig verbreitet und ob diese wirklich neu ist?

Bei der Recherche stellt sich schnell heraus, dass dieser Zugangsweg zum Hüftgelenk schon lange – wenn auch ohne marketingfähigen Namen – vor allen Dingen in Frankreich (seit den 90er Jahren), aber auch in Österreich und in der Schweiz angewandt wurde, bzw. wird. Seinen Ursprung hatte dieser Zugangsweg übrigens bereits 1870 in Deutschland! Carl Hueter hat damals bereits diese Methode beschrieben. Sie verschwand von der Bildfläche bis in den 90er Jahren Dr. F. Laude aus Paris diesen wiederbelebte. In einem Artikel aus dem Jahre 2010 ist von bisher 30000 Operationen insgesamt nach dieser Methode die Rede. Setzt man die Zahl ins Verhältnis zu den jährlich ca. 200.000 Hüftgelenksersatz-Operationen in Deutschland, so relativiert sich diese sehr schnell. Aktuellere Zahlen liegen mir leider nicht vor.

Alles Grund genug. unseren Spezialisten Dr. Christian Fulghum, den Cherfarzt der endogap – Klinik für Gelenkersatz, zu diesem Thema zu befragen.
Lesen Sie nachfolgend die ausführliche Antwort zu unseren Fragen an Dr. Fulghum:

Endoprothese und Sport
Wenn AMIS nur Vorteile hat, warum ist diese Methode in unserer Wahrnehmung in Deutschland so wenig verbreitet?
Wo liegen die Probleme in dieser Operationsmethode?
Was sind die Nachteile?

Dr. Christian Fulghum

  1. AMIS ist eine sehr guter Zugangsweg/Methode, wenn sie beherrscht wird.
  2. AMIS ist nichts Neues – es ist der altbekannte vordere Hüftzugang, schon vor vielen Jahren beschrieben, jetzt mit neuem, marketingfähigen Namen.
  3. Es gibt 5 natürliche Hüftlücken, die den Zugang zum Gelenk ermöglichen. Durch alle kann man operativ tätig werden, mal mit etwas mehr Muskelschonung, mal mit etwas weniger.
  4. Die Benutzung aller 5 Zugangswege bedingt bei der Implantation eines künstlichen Hüftgelenks Muskelschäden, sei es durch Durchtrennung, durch Dehnung oder Quetschung des Gewebes. Welcher Schaden da vorzuziehen ist, bleibt völlig offen!
  5. Bestimmte Zugänge zeigen in den ersten 6 Wochen eine etwas schnellere Rehabilitation (u.a. AMIS), nach 3 Monaten sind absolut keine Unterschiede mehr nachweisbar (der Körper regeneriert sich).
  6. Signifikante Unterschiede haben sich in kontrollierten Studien nicht nachweisen lassen.
  7. Leider wird mit AMIS geworben, das alleine ist schon nicht OK, denn alle Hüftzugänge führen, bei korrekter, schonender Ausführung, zu sehr guten Ergebnissen.
  8. AMIS ist bei Komplikationen nicht erweiterbar – im Gegensatz zu den seitlichen und hinteren Zugängen; Und niemand ist gegen Komplikationen gefeit.
  9. Unter anderem deshalb hat sich AMIS auch bisher nicht wirklich durchgesetzt. Was sollte uns daran hindern einen überlegenen Zugang zu verwenden (wenn er denn überlegen wäre ….)?
  10. Es gibt eben bei keinem Zugang nur Vorteile, es kommt immer auf die Erfahrung des Operateurs an und den individuellen Patienten.

Dr. Fulghums Fazit: Das Wichtigste ist die Erfahrung und das Können des Operateurs und zwar unabhängig davon, welche der 5 möglichen Zugangswege gewählt werden.

Spätestens dieses Werbevideo sollte im Bezug auf AMIS nachdenklich stimmen!

 

 

8 Antworten

  1. Hans Delfs sagt:

    Ich habe vor 10 Jahren eine zementierte Hüftprothese auf konventionelle Art (seitlicher Zugang) und vor 5 Jahre die zweite Seite in AMIS-Methode bekommen. Beim ersten Mal bekam ich eine lebensbedrohliche doppelseitige Lungenembolie und ich musste zwei Wochen im Krankenhaus bleiben. Anschließend kam eine vierwöchige REHA. In den ersten Tagen der Reha konnte ich zum ersten Mal eine Treppe hochgehen. Nach dieser Reha war ich so weit, dass ich sehr langsam einen Kilometer gehen konnte. Ich habe immer wieder Schmerzen an dieser Hüfte, die mit Sehnenverlagerungen zusammenhängen.

    Auch bei der AMIS-Hüfte wurde ein hoher Blutverlust festgestellt, der mir am ersten Tag danach aus Kreislaufgründen ein Aufstehen nicht gestattete, aber am zweiten Tag bin ich gleich eine Treppe gegangen. Nach fünf Tagen wurde ich ohne Reha entlassen. Zwei Wochen nach der OP konnte ich meinen gewohnten Morgenspaziergang von 3 1/2 Kilometern in vollem Tempo wieder aufnehmen. Die Hüfte macht keine Schmerzen. Ich habe diesen Unterschied sehr angenehm empfunden. Die Feststellung, dass nach drei Monaten alle Methoden zu etwa den gleichen Ergebnissen führen, ist etwas zynisch: Als ob die Schmerzen und Behinderungen in diesen ersten drei Monaten keine Rolle spielten.

    • Lieber Hans, es tut mir leid, dass es vor 10 Jahren Komplikationen gab. Es ist auch etwas ungewöhnlich, dass vor 10 Jahren noch zementiert wurde.
      Ich hatte übrigens vor 21 Jahren mit meiner zementierten Hüfte ebenfalls das Problem einer Lungenembolie. Ich kann also Ihre Ausführungen bestens nachvollziehen. Ich möchte in diesem Beitrag auch nicht von AMIS abraten. Nur gibt es eben nicht den Königsweg bei der Operation und alle Verfahren haben Vor- und Nachteile. Aktuell wird ja das AMIS-Verfahren relativ aggressiv beworben. Gründe dafür können Sie in einen recht aktuellen Artikel zu diesem Thema hier lesen: https://www.mut-zur-neuen-hüfte.de/dr-tep-rat/amis-und-andere-op-zugaenge/

      In jedem Fall freut es mich sehr, dass Ihre OP mit der AMIS-Methode so erfolgreich war und die möglichen Komplikationen ausgeblieben sind!

      • Helmut Olms sagt:

        Ich wurde vor 3 Jahren an beiden Hüften gleichzeitig (!) nach der Amis-Methode operiert, konnte nach 5 Tagen ohne Gehstützen laufen und bin nach genau 20 Tagen ohne REHA wieder meiner anstrengenden beruflichen Tätigkeit als Hausarzt nachgegangen. Meine Patienten haben von dem Eingriff nichts bemerkt, ich habe den 3-wöchigen Sommerurlaub dafür genutzt, mein Gangbild war danach völlig unauffällig.

    • Elfriede Buck sagt:

      Hallo, bin auch von den Vorteilen der AMIS Methode übrrzeugt. Mit meinen zwei AMIS-Hüften lebe ich seit 4 Jahren völlig beschwerdefrei und das von Anfang an. Es ist schade, daß AMIS in Deutschland nur von wenigen Chirurgen beherrscht wird. Ich kenne nur Vorteile bei AMIS.

  2. Samtleben sagt:

    Ich bin ebenso im September 2015 mit der AMIS-Methode über die Hüft- Vorderseite operiert worden.Dazu habe ich mir einen sehr erfahrenen,spezialisierten Orthopäden ausgesucht.Er hat mir in „Filligranarbeit“eine neue Hüfte implantiert,mit einer glatten,kurzen Narbe.
    Ich hatte keinerlei Schmerzen oder Einschränkungen und mein Bein war von Anfang an voll
    belastbar. Schon am 6.Tag konnte ich bereits ohne Gehstützen auf dem Stationsflur laufen und die anschließend Reha war Erholung für mich.
    Ich finde es nicht sehr fair,die AMIS-Methode so z.T. abwertend zu beurteilen,denn es ist ein sehr großer Unterschied,ob man nach kurzer Zeit wieder mobil ist oder ob man noch lange nach der Reha auf Unterarm-Gehstützen und Lymphdrainage angewiesen ist.

  3. Elfriede Buck sagt:

    Ist ja interessant. Bin selbst beidseitig nach AMIS operiert und konnte und durfte bereits kurz nach der Op vieles machen, was den anderen Patienten in der Reha untersagt war, z.B. auf der Seite schlafen, Brustschwimmen, nur die tiefe Hocke sollte ich vermeiden. Hatte einen großen Vorsprung gegenüber den anderen Rehapatienten obwohl bds. operiert. War jedenfalls sehr froh darüber, dass ich gleich wieder recht beweglich und fit war. Sechs Wochen nach Op hat man am Gangbild nichts mehr bemerkt und ich konnte 10 km ohne Probleme gehen.
    Soweit mir bekannt ist, geht auch eine gleichzeitige doppelseitige Op nur mit der AMIS Methode, weil diese eine sofortige Stabilität und Vollbelastung garantiert. Mit einem seitlichen Zugang wäre dies gar nicht möglich, meinte jedenfalls mein Operateur.
    In Frankreich, Großbritannien, in der Schweiz und in Österreich ist AMIS wohl die Standardmethode und die haben sehr gute Ergebnisse und sind uns in einigem voraus, z.B. was die Einrichtung eines Endoprothesenregisters betrifft.

  4. Michael Twardon sagt:

    Meine TEP wurde vor knapp 18 Monaten in Unna über die Hüftvorderseite implantiert. Erst im Nachhinein habe ich erfahren, dass es für diesen Zugang einen besonderen Namen gibt der im Kreis der Betroffenen durchaus bekannt ist. Jede minimalinvasive Hüft-OP erfordert eine erfahrene Operateur, dies gilt besonders bei AMIS; diese Methode ist wohl einerseits wirklich schonender, aber auch riskanter, was im Interview mit Herrn Fulghum zum Ausdruck kommt. Hier gilt also gerade auch der allgemeine Rat, sich guten und erfahrenen Fachleuten anzuvertrauen und im Vorfeld unter mehreren Kliniken und Ärzten auszuwählen.

    Nicht ganz einverstanden bin ich mit der etwas abwertenden Äußerung Fulghums, letztlich seien drei Monate nach der OP die Ergebnisse aller OP-Techniken ähnlich. Wer selbst eine TEP bekam weiß, wie wichtig gerade ein schneller und kompikationsarmer Heilungsverlauf ist. Jeder Tag, an dem Fortschritte gemacht werden auf dem Weg zur Normalität, ist wichtig. Ich konnte, auch Dank sportlicher Vorbereitung und viel Bewegung auf dem Krankenhausflur, am fünften Tag nach der OP entlassen werden und zu Hause schon recht mobil sein. Das war für mich gut und ich habe diesen Mobilitätvorteil -um bei den Worten Fulghums zu bleiben- in den ersten drei Monaten zutiefst genossen.

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