Der mündige und aufgeklärte Online-Patient – eine Herausforderung für Betroffene und Ärzte

Es ist so herrlich einfach: Mal eben schnell einen medizinischen Fachbegriff oder eine Krankheit in eine Suchmaschine eingeben und schon weiß man besser Bescheid als jeder Arzt. Dieser Trend wird durch gesetzlich inzwischen erlaubte Online-Sprechstunden unterstützt. Kurz mit dem Facharzt einen kleinen Video-Chat aufsetzen und schon steht die Diagnose fest, die man sich ja vorher ohnehin bereits „ergoogelt“ hatte.

In Wirklichkeit ist die Recherche im Netz aber alles andere als einfach. Gilt es doch, seriöse Seiten von reinen Werbeseiten, Fachinformationen von Falschinformationen und aktuelle Artikel von längst überholten, zu unterscheiden. Bei der Suche nach Krankheiten und Beschwerden besteht zudem die Gefahr, dass man eher geneigt ist, den beschriebenen schlimmsten Szenarien der eigenen Symptome Glauben zu schenken, als den harmlosen.
Doch wie kann man die Online-Möglichkeiten nutzen, ohne in die genannten Fallen zu tappen?
Eines vorweg, es kostet in jedem Fall Zeit.
Als erstes sollte man immer das Impressum lesen. Ein Impressum ist für alle Webseitenbetreiber verpflichtend. Wenn dieses fehlt oder unvollständig ist, sollte die Internetseite direkt aussortiert werden. Danach ggf. den Betreiber der Seite im Netz recherchieren. Wenn man sich immer noch unsicher ist, kann man auch prüfen, was andere bereits zu der Seite oder der Firma im Netz geschrieben haben. Auch Seiten mit auffallend vielen Rechtschreibfehlern oder merkwürdigen Formulierungen können ein Indiz für unseriöse Angebote sein.
Es gibt auch im Internet einige hilfreiche Tipps, wie man Falschmeldungen (Fake News) entlarven kann. Die Seite des SWR bietet einen guten Leitfaden an.
In Fall der Medizin-Seite mit dem wohlklingenden Namen „Leading Medicine Guide“, die mich zu diesem Artikel veranlasst hat, war es trotzdem nicht ganz so einfach auf den ersten Blick und ohne größeren Zeitaufwand zu erkennen, dass hier keinesfalls unabhängige Qualitätskriterien dazu geführt haben, Kliniken und Ärzte als herausragende Experten dort aufzuführen, sondern Zahlungen ab 5.500,00 EUR pro Jahr. Allenfalls der im Impressum genannte Betreiber, der „Deutsche Verlag für Gesundheitsinformation GmbH“, kann einem vielleicht stutzig werden lassen, sowie das goldene eigene ausgegebene Zertifikat. Beide genannten Seiten sind sehr professionell gestaltet und wirken dadurch seriös und fachkompetent. Die zwei zusammengehörenden Seiten einer Firma, machen übrigens keinen Hehl daraus, Dienstleistungen für Ärzte und Kliniken zu verkaufen, um diese im Suchmaschinen-Ranking nach vorne zu bringen. Mann muss sich allerdings erst das 5-minütige, etwas versteckte Werbevideo anschauen, um ab Minute 4 zu erfahren, wie hoch die Kosten dafür sind – und wer macht das schon?
Die 8 genannten Aufnahmekriterien klingen zunächst auch ganz plausibel und vernünftig. Wenn man dann aber weiterliest und erfährt, dass davon nur 6 erfüllt sein müssen, ergibt sich eine ganz andere Wahrnehmung.
Eine Aufnahme in den „Expertenkreis“ ist damit ohne nachfolgende sehr wichtige Kriterien wie
– „Mindestens 10 Jahre Operations- und Behandlungserfahrung“
– „evaluatives Qualitätsmanagement (z.B. Zertifizierung)“
möglich, wenn stattdessen eher unwichtigere Kriterien wie z.B.
– „Aktive Teilnahme an Fachveranstaltungen (z.B. Vorträge)“
– „Leitende berufliche Position“
nachgewiesen werden. Das sagt eigentlich schon alles über diese Web-Seite und die Expertenliste aus.

Zur dem oben genannten Verlag gehören übrigens noch weitere neun Portale spezieller medizinischer Fachrichtungen, die alle das „…guide“ im Namen führen und designtechnisch jeweils etwas anders aufbereitet sind, so dass diese nicht direkt in Zusammenhang gebracht werden, es sei denn man schaut in jedes Impressum oder es fallen einem die gleichen Bilder mit den seriös dreinschauenden Gesichtern auf.
Es zwar nicht ganz  auszuschließen ist, dass das eine oder andere dort veröffentlichte Thema auch sinnvolle Informationen enthält, jedoch fällt dem aufmerksamen Leser auf, dass nicht immer ein Datum der Veröffentlichung angegeben und oft keine Quellenangabe genannt wird. Allenfalls anhand einiger dort genannter Zahlen kann man das Alter der Artikel ablesen. Z.B. lesen wir dort 2019 von 250.000 endoprothetischen Versorgungen pro Jahr (Hüfte und Knie), lt. seriöser EPRD-Quelle waren es 2016 ca. 440.000. (Anm.: Die Zahlen wurden inzwischen dort korrigiert, bzw. aktualisiert)

Das inzwischen weitestgehend aufgehobene Werbeverbot für Mediziner macht es für die Betroffenen aber auch für Ärzte nicht einfacher. Gilt es doch auch hier, seriöse und sachliche Information ohne Verkaufsangebote von eben weniger seriösen mit versteckter oder auch offene Werbung zu unterscheiden. Professionell in Studio-Qualität erstellte Youtube-Videos sind leider auch hier kein fachliches Qualitätsmerkmal.
Last but not least sieht vielleicht auch der eine oder andere Mediziner die Notwendigkeit, bei einer rein profitorientierten Werbeplattform mitzumachen, um sich nicht von Patienten fragen zu lassen, warum denn gerade er nicht auf einem „sogenannten Expertenportal“ vertreten ist. Ich bin mir allerdings sicher, dass die Mehrzahl der wirklich anerkannten Fachärzte dieser Versuchung widerstehen werden.
Am Ende ist es wie immer im Leben: Am besten den gesunden Menschenverstand walten lassen und bei medizinischen Ratschlägen und Wunderheilungsversprechen misstrauisch sein.
Keine schlechte Quelle für Informationen können Selbsthilfegruppen, egal ob real oder im Netz, sein. Bei letzteren gelten natürlich die gleichen vorstehend genannten Kriterien. Wenn so eine Gruppe gut geführt ist, mit Fachleuten besetzt ist und eine notwendige Größe hat, die für ein gewisses Maß an Selbstregulierung sorgt, kann man sich dort durchaus zu medizinischen Themen informieren und austauschen. Ein qualifizierter Arztbesuch ist dadurch selbstverständlich keinesfalls zu ersetzen.

In dem mir bekannten medizinischen Umfeld, seien zum Thema „Arthrose und künstliche Gelenke“ stellvertretend zwei Gruppen/Foren genannt:

Beide genannten Gruppen und Foren bemühen sich intensiv um sachliche Informationen, die durch eine größere Anzahl von Experten (Medizinern, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftlern, etc.), die auch namentlich bekannt sind, fachlich unterstützt und begleitet werden.

Als orthopädische und chirurgische Webseiten mit validen Fachinformationen seien nachfolgende genannt, wobei die ersten drei eingetragene Vereine sind und am Aufbau der letzten zwei genannten Organisationen maßgeblich beteiligt waren.

Natürlich sind auch Portale der Krankenkassen eine praktikable Anlaufstelle, um Kliniken und Fachärzte zu finden!

Fazit: Sinne schärfen beim Surfen!

6 Antworten

  1. Gesa Wulff sagt:

    wie wird aktuell mit Zahnarztterminen nach frischer Hüft Tep Op umgegangen, welche Richtlinien gibt es? Mir hat meine Zahnärztin für 3 Termine (professionelle Zahnreinigung, zwei Zahnhalsbehandlungen /verblendung, ein Füllungsersatz) jeweils Antibiotika verweigert. Das brauchen Sie nicht, sagte sie, nur bei blutigen und eitrigen Eingriffen! Jetzt habe ich eine Paradontose Behandlung vor mir mit Keimbestimmung vorab und Antibiotika. Brauche ich im Vorfeld bereits das Antibiotikum, das hochdosiert wird? Wie sind die Leitlinien nach hüft tep op, zumal die OP jetzt erst 6 Monate her ist. Ich bin ziemlich verzweifel, weil ich widersprüchliche Informationen finde und bekomme (Ärzte). Mit Bitte um Hilfe und baldige Rückmeldung, mfG, Gesa Wulff

    • Peter Herrchen sagt:

      Hallo Gesa,
      die Leitlinien sind tatsächlich etwas uneinheitlich.
      2016 hat die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik die Antibiotika Prophylaxe bei blutigen Zahneingriffe empfohlen. Eine Studie aus England, die in einem Update dort ebenfalls verlinkt ist, kam zu anderen Schlüssen. Wir empfehlen zumindest in der ersten zwei Jahren nach TEP-OP eine Single-Shot AB-Gabe, wenn blutige Zahneingriffe anstehen – natürlich immer in enger Abstimmung mit dem Zahnarzt und/oder TEP-Operateur.
      Dazu kann auch eine professionelle Zahnreinigung zählen, wenn es auf Grund von Parodontose zu stärkeren Blutungen dabei kommt. Bei größeren Eingriffen, wie z.B. Zahn-Implantaten, ist auch eine AB-Gabe über einen längeren Zeitraum notwendig. Letztendlich ist es leider eine Abwägungssache des Patienten.
      Auch wenn das Infektionsrisiko für die relativ TEP gering ist, bedeutet eine Infektion jedoch eine sehr langwierige Behandlung mit teils ungewissen und auch oft dramatischem Ausgang.
      Siehe gerne auch nachfolgende Links, mit leider nicht ganz einheitlichen Empfehlungen:
      https://www.ae-germany.com/die-ae/ae-publikationen/ae-handlungsempfehlungen/238-7-antibiotikaprophylaxe-bei-zahnmedizinischen-eingriffen-ein-update
      und
      https://www.mut-zur-neuen-hüfte.de/dr-tep-rat/antibiotika-ja-oder-nein/

  2. Arthrose Forum Austria sagt:

    Lieber Peter Herrchen,
    ein spannender Artikel und durchaus wichtig, einmal zu hinterfragen, was einem online alles „serviert“ wird. Gerade das Thema Arthrose ist mit Millionen Einträgen besetzt. Hier sich zurechtzufinden, kann für manche nicht so „online-affine“ Personen durchaus eine Herausforderung sein. Auch wir raten dazu, sich auf (sogenannten) Informationsseiten das Impressum und Datenschutz anzuschauen und die Seriosität der Inhalte zu überprüfen. Es gilt immer die Faustregel: Die zur Verfügung gestellten Informationen weder zur Selbstdiagnose, Behandlung noch Selbstmedikation zu verwenden und die konsumierten Inhalte keinesfalls als Ersatz für eine ärztliche Diagnose, Beratung und Behandlung zu sehen. Diese können lediglich eine Ergänzung für das Selbstmanagement von Arthrose sein und den Informationsstand erweitern.

    Herzlichen Dank für die Erwähnung unserer Plattform Arthrose Forum Austria und unsere Facebookgruppe! Besonders in Facebookgruppen über Arthrose gibt es auch einige Regeln zu beachten. Ausführliche Tipps über das Verhalten, Ton und Austausch in Arthrose-Facebookgruppen gibt es in unseren Blogbeiträgen: https://www.arthroseforumaustria.at/facebookgruppen-ueber-arthrose und https://www.arthroseforumaustria.at/arthrose-selbsthilfegruppen-facebook

    Liebe Grüße
    Arthrose Forum Austria, Barbara Egger

  1. 21. März 2020

    […] und nachprüfbare Quellen. Wie man das prüfen kann, habe ich in einem anderen früheren Artikel Faktencheck hier veröffentlicht. Neben den öffentlich rechtlichen Medien, sind dies u.a. das Robert-Koch-Institut, die WHO oder […]

  2. 28. November 2022

    […] kann auch „Dr. Google“ helfen, aber nur wenn man auch korrekte Infos von Fake-News (in diesem Artikel finden Sie am Ende auch Links zu seriösen Informationsquellen) wirklich unterscheiden kann und ausgiebig selbst recherchiert.Eine geprüfte Stelle, um […]

  3. 28. November 2022

    […] meinem Beitrag aus 2019 zum Thema Fake-News bin ich darauf eingegangen, wie man unseriöse Webseiten und vor allen Dingen unseriöse […]

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